Le Pop Lingerie – Feministischer Konzept Laden

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Die Inhaberin des Ladens Diane-Sophie Durigon ist 38 Jahre alt und führt den Laden in Köln-Ehrenfeld seit fast 9 Jahren. Ich erinnere mich noch daran, wie ich den Laden vor ein paar Jahren das erste Mal betreten habe und wie mich diese Frau mit ihrem französischen Akzent und dem kleinen Konzeptladen komplett verzaubert hat. Sie ist bestimmt einen Kopf größer als ich und immer wenn ich ihr begegne trägt sie roten Lippenstift. Sogar heute, unter der coronabedingten Maske. Es ist kurz vor Ladenöffnung und sie strahlt Selbstbestimmtheit aus und irgendwie all das, was ich mir unter einer Frau vorstelle, die feministische Werte und Vielfalt vertritt. Die gebürtige Französin wohnt seit ca. 18 Jahren in Deutschland und ist damals durch das Studium in Köln gelandet. Bevor sie ihren Laden gründete, hat sie in einer Marketing- und PR-Agentur für französische Mode und Lingerie Messen gearbeitet.

„Ich habe bemerkt wie viele coole Marken es gibt und wie schade es ist, dass es in Deutschland irgendwie keinen Zugang dazu gibt.“

Mit ihrem Laden wollte sie einen Ort schaffen, an dem man sich wohlfühlen, austauschen und informieren kann und an dem man inspiriert wird. Der kleine Laden in Ehrenfeld ist mehr als ein Dessous-Geschäft. Es ist ein Laden rund um Körper, Feminismus und Sexualität.

„Ich hab gedacht ich trau mich und ich mach das einfach“

Ich streife durch den Laden, sehe Aufklärungsbücher, Sexspielzeug und Unterwäsche in allen Farben, Formen und Größen. Mitten im Raum steht eine große Badewanne, in der ein Pflanze wohnt und sich ausladend entfaltet. Große goldene Hände halten den ein oder anderen BH an den Wänden und im hinteren Teil des Ladens erlebt man einen kleinen Ausflug an einen Ort, der Strandfeeling vermittelt.

Ich frage: Was hat deiner Meinung nach ein Unterwäscheladen mit Feminismus zu tun? Und die Antwort darauf ist so komplex wie selbstverständlich. Es geht um den Weg hin zu sich selbst, sich selbst zu mögen, um Selbstbestimmung, etwas für sich selbst zu tun und natürlich geht es auch um Aufklärung. Es gibt Workshops, Bücher und Toys und natürlich beraten Diane und ihre Mitarbeiter*innen rund um all diese Themen mit Freude und Lockerheit.

„Wir freuen uns, wenn wir Leuten helfen können mit sich selbst auf Entdeckungsreise zu gehen“

Sexualkunde sollte mehr sein als die Aufklärung über Geschlechtskrankheiten, Kondome und die Anti-Baby-Pille. Wir sollten
über das Positive von Sexualität sprechen: Über Berührungen, über die Lust. Und weg von „Penis=Erektion=Penis in Vagina“, wie Diane es so schön formuliert. Es ist schwierig das Thema Aufklärung allein den Eltern zu überlassen, weil auch wir Erwachsene oft nur lückenhaft Bescheid wissen über unseren eigenen Körper, über den Menstruationszyklus und über Sexualität. Und auch das Internet ist als Aufklärungsort denkbar schlecht geeignet. Es präsentiert ungefiltert Schlechtes wie Gutes und lässt Jugendliche allein damit zurück, sich ein Bild zu machen, das oft nur wenig mit der Realität zu tun hat. Diane sagt, sie findet es toll, wenn Eltern mit ihren Kindern kommen und man einfach ohne Peinlichkeit darüber sprechen und Fragen beantworten kann.

„Was ist das? Das ist die Klitoris – das Organ der Lust. Echt super schön und die einzige Funktionalität ist Lustempfinden.“

Immer noch haben Erwachsene Probleme damit Dinge korrekt und ohne Peinlichkeit zu benennen. Warum sagt man, wenn man das Geschlechtsorgan der Frau benennen will, oft einfach nur „da unten“, während man beim Mann ganz klar das Wort Penis verwendet?
Diane sagt es liege unter anderem an der jahrhundertelangen Geschichte von Tabuisierung der weiblichen Sexualität, die immer noch tief in uns verankert sei. Kleinen Mädchen sagt man schon „Fass das nicht an“, während Jungs vergnügt mit ihrem Penis spielen. Diane führt Aufklärungsbücher in ihrem Laden wie z.B. den Girlguide für pubertierende Mädchen ab 10, der mit coolen Grafiken allerhand über Menstruation, Akne, und Probleme, die man als Teenager so hat, erklärt. Diane sagt: „Man wünscht sich, man hätte das gehabt als Kind bzw. Jugendlicher“.

Aufklärung ist irgendwie ein Tabuthema, wenn es um Kinder geht. Nacktheit wird sofort mit Sexualität gleichgesetzt und irgendwie fahren die meisten Menschen dann doch am liebsten mit der Aufklärung „Bienchen und Blümchen“.

„Es wäre schön damit anzufangen das äußerliche weibliche Geschlecht Vulva zu nennen. Was ist crazy daran?“

Es ist wichtig Dinge beim Namen zu nennen. „Sachen beim Namen zu nennen verwirklichst sie, bringt sie zum Existieren.“, sagt Diane. Fehlen die Worte, so fehlen auch die Worte zu erklären, wo es weh tut als Kind oder um als Erwachsener sein sexuelles Empfinden oder Bedürfnis mitzuteilen. Aufklärung fängt nicht erst beim Sex an, sondern schon bei der richtigen Benennung – richtige Kommunikation will gelernt sein. Lernt das Kind seine ersten Worte, so sagen wir an Weihnachten ja auch nicht: Das grüne Ding da – wir sagen Tannenbaum. Warum also nicht einfach „Vulva“, statt „da unten“?

„Ich bin weit davon entfernt die ganze Vielfalt zu zeigen, aber es ist gut sich zu bemühen.“

Diane postet in ihren Instagram- und Facebook-Accounts Menschen jeden Alters, jeden Aussehens. Es ist gelebte Vielfalt, eine Repräsentation von möglichst vielen Körpern und Identitäten.

Diane sagt, sie führe tatsächlich sogar eine Marke La Fille d’O aus Belgien, die u.A. für Transidentitäten produziert. Le Pop Lingerie ist ein Laden, der für alle Identitäten offen ist. Sie sagt, es gebe auch Männer in ihrer Kundschaft, die gern BHs tragen oder eben auch Transidentitäten. Sie erzählt, dass oft vorher angerufen werde und dass sie auch Einzeltermine anbiete für Menschen, denen es unangenehm sei, anderen Kunden zu begegnen.

Seit ich Mutter bin, ist mir noch einmal besonders aufgfallen wie sehr die Welt in Gendernormen eingeteilt ist, die unseren Kleinsten schon ganz früh durch verschiedenste Kinderbücher und genederspezifische Kleidung mit typischen Rollenbildern prägen. Betritt man als Erwachsener ein Kinderbekleidungsgeschäfte, um dort etwas zu kaufen, lautet die erste Frage meist: „Junge oder Mädchen?“, woraufhin man entweder in die Abteilung „Blau und Bagger“ geschickt wird oder einem Prizessinnen, Glitzer und Rosatöne angeboten werden. Selbst Socken gibt es entweder für „Mädchen“ oder für „Jungs“. Ausnahmen bieten nur manche Marken, die sich mit dem GOTS-Siegel schmücken können und fair und biologisch produzieren. Geschäfte, die vor Allem solche Kleidung anbieten, sortieren ihre Kleidung häufig nach Farbe und nicht nach Geschlecht. Klingt sinnvoll, oder? Wir erwarten von Erwachsenen, dass sie tolerant und aufgeschlossen sind gegenüber allen Identitäten und Familienformen. Trotzdem erzählen wir unseren Kindern Dinge wie: „Wenn ein Mann und eine Frau sich lieben bekommen sie ein Baby.“ Ein Baby zu bekommen hat nicht immer etwas mit Liebe oder Partnerschaft zu tun und man braucht dafür auch nicht Mann und Frau. Heute gibt es, auch dank der Wissenschaft, vielfältige Wege eine Familie zu gründen. Sogenannte „Aufklärungsbücher“ klären nicht wirklich auf über die Möglichkeiten, die wir als Menschen haben, erzählen nichts von Intimität oder die vielschichtigkeit von Identität. Autos sind nicht für Jungs und Puppen nicht für Mädchen. Alles ist für alle da. Wir sollten weg von der simplen Einteilung in „Mann“ und „Frau“ und auch unseren Kindern schon beibringen wie normal Vielfalt ist. Ansonsten werden sich Menschen, die sich nicht dem einen oder anderen Geschlecht zuordnen oder nicht in Rollenklischees reingepresst werden möchten, immer falsch fühlen, weil ihnen die Akzeptanz sowie die Repräsentation in unserer Gesellschaft und in unseren Medien fehlt. Diane setzt mit ihrem Laden und mit ihren Posts in den sozialen Medien ein Statement.

„Es ist gut mal eine Frau mit ganz vielen Falten zu zeigen“

Es ist wichtig verschiedene Köpervielfalten zu zeigen um das alles „zu desakralisieren“, wie Diane sagt. Mit das alles ist Medienpräsenz von einem bestimmten Stereotyp gemeint – weiß, 90/60/90. Es gibt nicht unbedingt ein Problem mit Modelmaßen. Auch das hat seine Existenzberechtigung, aber das Problem in unserer Gesellschaft ist, dass man nur diese eine Figur, Hautfarbe oder Haarfarbe zeigt und diese somit zur zu erreichenden Norm macht. So fühlt man sich nicht repräsentiert, wenn man dieser Beschreibung eben nicht entspricht. Es fördert das Gefühl nicht „richtig“ zu sein, wenn man der repräsentierten Norm nicht entspricht und führt zu Ausgrenzung und/oder Selbstzweifeln. Repräsentanz kann dabei helfen den eigenen Körper anzunehmen.

„Wir haben mehr als 50 verschiedene Größen. Von A bis K“

„Wir versuchen immer für jede Kund*in was zu finden“, sagt Diane. Denn es sei unglaublich frustrierend, nichts zu finden und dann beginne man damit das Problem bei sich zu suchen. Ich erinnere mich selbst noch gut an dieses Gefühl, während ich Diane so zuhöre. Ich erinnere mich, dass auch ich damals bei meinem ersten Besuch als Kundin in Dianes Laden das Gefühl hatte, endlich in Ordnung so zu sein, wie ich bin und das nur weil es einmal einen schönen BH in meiner Größe gab. Ein BH-Kauf ist manchmal mehr als ein Zweckkauf. Für viele, die nicht in die Norm passen und nach ihrer Größe oft vergeblich suchen, kann so eine Suche schnell zu Selbstzweifeln führen, obwohl doch eigentlich die Industrie das Problem ist, die Augrund von eben nur geringer Nachfrage einfach nicht oder kaum Größen produzieren, die nicht im Mainstream liegen. Bei Diane fühlt man sich gut aufgehoben und sie führt alles, was das Herz begehrt.

Was tust du zum Thema Nachhaltigkeit?

Diane führt einige Marken, die nachhaltig produzieren. Besonders interessiert bin ich an der Menstruationsunterwäsche. Eine menstruierende Frau verbraucht in ihrem Leben 10.000 bis 17.000 Monatshygieneprodukte. So entstehen in Deutschland jährlich 75.000 bis 125.000 Tonnen Müll. Mittlerweile gibt es gute Alternativen zu Einwegprodukten. Etwa die Menstruationstasse oder Periodenunterwäsche. Diane schwärmt von den Höschen von kora mikino. Sie sagt diese Unterwäsche zu tragen fühle sich an wie eine Umarmung. Die Unterwäsche gibt es in verschiedenen Farben und Formen und man kann sie den ganzen Tag tragen ohne sie wechseln zu müssen. Das Höschen aus Micromodal (hergestellt aus Buchenholz) besteht aus zwei Schichten. So wird das Menstruationsblut ins innere der Unterwäsche geleitet und man hat den ganzen Tag ein angenehm trockenes Gefühl. Nach der Nutzung kann die Unterwäsche einfach in die Waschmaschine bei 40 Grad. Gerade für junge Mädchen sei es eine tolle Sache, sagt Diane. So müssten sie u.a. nicht immer daran denken, ob sie genug Binden dabei hätten.

Diane erzählt, dass sie mit kora mikino mal eine Menstruationsparty geschmissen hätten. Ich bin neugierig und frage: „Wie sieht so was aus eine Menstruationsparty?“. Diane erzählt von Vulva-Cupcakes und kleinen Mexikaner-Shots in 30ml Cups. Ich bin erstaunt und begeistert. Diane sagt, die Menstruation sei einfach immer noch ein Tabuthema. Mit solchen Aktionen enttabuisieren wir, können stolz sein oder darüber lachen.
Ein paar Menstruationsunterhosen hat Diane an das Frauenhaus in Ehrenfeld gespendet. Jeden Monat macht Diane eine Spende an eine andere Organisation, u.a. an Rainbow Cologne – eine Organisation für queere Geflüchtete oder Femnet – eine Organisation, die sich für Frauenrechte einsetzt.

Wir sitzen in einiger Entfernung zu einander und unterhalten uns etwa eine Stunde über all diese Themen rund um Gender, Nachhaltigkeit und Aufklärung zu denen es immer noch mehr zu sagen gibt als wir in Worte fassen können. So langsam kommen die ersten Kunden. Das Buch „Kommt gut“ sei momentan der Renner, erzählt Diane. In der Kurzbeschreibung heißt es: „Es ist ein Ratgeber mit Zeichnungen, mit dem man lernt, Sex jenseits der Penetration zu haben. Mit den Händen, mit den Füßen, mit dem Mund und vor allem mit viel Humor!“ Aufklärung hört eben nie auf, denke ich und nehme mir vor dieses Buch mal zu lesen.

Wenn ihr gern auch mal stöbern wollt: Hier geht’s zur Homepage von Le Pop Lingerie: https://www.lepoplingerie.de/

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